am 20.05.2022
Die 2 Tage und 9 Stunden sind eine fröhliche Illusion für etwa 4270 km, Dazwischen liegen die Ukraine und die russischen Straßen.
Ich bin dann um 22:15 im Hotel Вознесенский angekommen. Scheint hier jeder zu kennen, denn der Taxifahrer betete mir die Adresse gleich mal vor, bevor ich was sagen konnte. Gerade noch rechtzeitig um ein Abendbrot zu bestellen, denn die Küche schließt um 22:30 Uhr. Also erst essen und dann das Zimmer beziehen. Es sind die Kleinigkeiten, die die Unterschiede ausmachen. Die Küche schloß pünktlich.
Der erste Eindruck von den Menschen war etwas kühler als in den anderen Städten, mag aber auch am Wetter gelegen haben. Es ist kalt, naß und grau.
21.05.2022
Das erste Mal erlebe ich Nachteile als Ausländer in Russland. Der bestellte Mietwagen war bereits vergeben und außerdem „vermieten wir nur an Bürger Russlands“. Nun angestachelt, Rundruf bei den Autovermietungen. Und siehe da, fast alle machen das so. Es gibt also ein Problem. Der geneigte Deutsche fragt sich natürlich, warum nimmt der sich nicht ein Taxi? Weil auch diese ausgebucht sind und die Abhängigkeit, das auch noch zu planen, stört gewaltig. Zumal die Tagesmiete für einen durchschnittlichen PKW bei 30 bis 35 € liegt. Gut, ich habe einen Vermieter gefunden, der mir einen fast neuen VW Polo überlässt. Das läuft dann eben ordentlich russisch. Dieses Modell wird in D nicht verkauft. Warum, frage ich mich?
Anmerkung: Aktuell ist eine russische Telefonnummer und ein russisches Konto so ziemlich die Grundlage für alle möglichen Geschäftsvorfälle. Die Sanktionen zeigen also beim Otto- Normalbürger aus Deutschland Wirkung.
Am Rande: Die deutsche Industrie macht hier fröhlich weiter. Keine Einschränkungen bei Mercedes und Co. Hier fahren große Autos rum, wie in Hamburg, Berlin oder München. Zum Straßenverkehr werde ich bestimmt auch noch ein Wort verlieren.
Die wirklich wichtige Frage, die man so im Internet liest: Liegt Jekaterinburg noch in Europa? Es kommt darauf an, sagen die Juristen. Geografisch ist der Ural die Grenze zwischen Europa und Asien. Aber der Ural hat auch eine gewisse Breite. Im Jahre 1837 wurde das hier abgebildete Zeichen errichtet. Lest selbst, denn die genaue Stelle ist die Wasserscheide, die durch das Uralgebirge entsteht. Man hat also Wetterfaktoren herangezogen, was in früheren Zeiten nicht so ungewöhnlich war. Lustig an der Geschichte ist, daß es nun mehrere Grenzzeichen gibt. Ich habe drei entdeckt. Das ist sicher nicht dramatisch, denn der Ural ist ja lang. Auf eine Grenzmarkierung über die gesamte Länge kann man aus verschiedenen Gründen wohl verzichten.
Nach dem Ausflug zur Kontinentalgrenze – wieder in der Stadt angekommen – wird mir bewusst, diese Stadt hat eine recht große wirtschaftliche Bedeutung für Russland. Es gibt hier viel Industrie, demzufolge ist auch die Infrastruktur hervorragend ausgebaut. Banken, von denen ich nie zuvor hörte, Baulichkeiten, die sich international nicht verstecken müssen und offensichtlich eine starke Mittelschicht. Aus Gesprächen weiß ich, daß die Einkommen zwischen 20 und 50 Tausend Rubel im Monat bei den „Normalverdienern“ liegen. Wenn man hier die Wohnkomplexe und die Restaurantpreise sieht, die nicht hinter denen Moskaus und St. Petersburgs zurückliegen, muß es hier also eine Einkommensklasse geben, die weit oberhalb des Durchschnitts liegt. Wenn man bedenkt, daß eine Tankfüllung 2000 Rubel kostet, kann man sich vorstellen, wie oft man in ein Restaurant gehen kann. Fotos zeigen den Zustand.
Wie jede russische Stadt, die auf sich hält, hat auch Jekaterinburg einen Leninprospekt. Dieser bildet das kulturelle Zentrum der Stadt. Ich hatte schon in Wolgograd und Petersburg die enorme Verkehrsfläche bestaunt und jeder Russlandreisende wird mir beipflichten, daß eine Straßenüberquerung etwas anderes bedeutet als in Deutschland. Vier bis fünf Spuren für jede Richtung, zusätzlich die Begrünung des Mittelstreifens, nehmen monumentale Ausmaße an. Das Thema begegnet mir immer wieder. Man überlegt sich besser, welche Richtung man einschlägt und ob man auch nichts vergessen hat. Fehler haben einen Wandertag zur Folge.
Die Wirkung des Urals als Wetterscheide zeigt sich für mich gerade deutlich. Der Regen, das Grau und wieder Regen. Außerdem ist es für die Jahreszeit hier viel zu kalt. Drei Grad im Mai lösen keine Freude aus.
IIch weiß, niemand fotografiert ein Klo, ich habe es getan, um zu zeigen, daß hier Leute mit einem Gespür für Ästhetik am Werk sind.
22.05.2022
Am Sonntag war die Erkundung der Umgebung auf dem Programm. Umgebung muß man hier anders verstehen. Die umliegenden Städte sind Scheljabinsk, Tjumen, Perm und Nischni Tagil. Um ein wenig Ural- Luft zu schnuppern, entschied ich mich in Richtung Tagil zu fahren. Wieder eine spannende Erfahrung. Straßen gibt es, die gibt es gar nicht. 😉 Der Platz reicht nicht aus um das zu beschreiben.
Angekommen erlebe ich eine schöne aufgeräumte Stadt mit allem was man so braucht. Parks, Theater und natürlich eine Tribüne für die Paraden.
An anderer Stelle hatte ich die Bordsteinkanten erwähnt. Hier sah ich ein Auto mit den gleichen Schäden wie in St. Petersburg. Die Elektrobusse (für die Ossis: Trolleybusse) geben ein erbarmungswürdiges Bild. Da fahren Schweißnähte – beeindruckend und preiswert.
Die Natur ist natürlich schöner als in den Märchen im DDR-Fernsehen. Gibt es bei uns natürlich auch, aber die Birkenwälder…
Ein besonderes Thema ist der Umgang mit den Toten. Man kann eine Gesellschaft durchaus danach beurteilen, wie sie mit ihren Toten umgeht. Das Foto nahm ich auf einem Friedhof in Nischni Tagil auf. Bemerkenswert ist die Nähe der Gräber. Der Friedhof war schlicht voll. Aber etwas anderes ist mir aufgefallen: An vielen Gräbern ist ein Tisch und eine Sitzgelegenheit errichtet worden. Ich finde das warmherzig, mit den Hinterbliebenen zu verweilen. Natürlich fragte ich mich, unter welchen Umständen der junge Soldat wohl zu Tode gekommen war.
23.05.2022
Heute hatte ich mir Museen und Kultur vorgenommen. Selbstverständlich ist das Schicksal der Zarenfamilie Romanow eine mich interessierende Angelegenheit. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt der Bolschewiki. Wenn man sich was vornimmt, kommt was dazwischen, wenn es auch nur die Öffnungszeiten sind. Montags sind alle Museen und Ausstellungen geschlossen. У них выходной. Also nimmt man das mit, was offen ist. Im Ergebnis bin ich nicht traurig. Ich wurde in die 52. Etage, dem höchsten Punkt der Stadt, zum Sekt eingeladen . Es wurden alle Themen besprochen, die wichtig und unwichtig sind.
Jekaterinburg hat auch einen Zoo. (Зоопарк) Ich bin hin und her gerissen. Man gibt sich große Mühe, mit sicher viel Geld.
Am Abend traf ich den Widerstand der russischen Föderation. Kein Witz! Der junge Mann hatte mir ausführlich erklärt, warum das Verhalten der RF nicht in die Welt passt, und Putin eine unmögliche Person ist. Er machte mich auf die Zeichen aufmerksam und wir versuchten einander Gründe zu erörtern. Mit 21 Jahren hatte er für meinen Geschichtsvortrag recht großes Interesse. ER lud mich zu einem Spaziergang in einen Park der Stadt ein und hörte mir genauso diszipliniert zu, wie ich ihm. Ich will doch wissen was hier gedacht wird. Wir haben Verbindung aufgenommen. Hier gibt es natürlich keine Fotos, außer den Insignien des Wiederstandes.
24.05.2022
Die letzten Sunden in Ekaterinburg war der Mietwagen wieder auf Vordermann zu bringen. Eine Innen- und Außenreinigung bekommt man für 400- 600 Rubel (7- 10 €)
Wieder in Moskau, nur für zwei Stunden. Das schlimmste ist die Sorge, den Anschlußflug nicht zu erreichen. Unbegründet, wie sich herausstellt. Mit Kofferempfang, neuer Registrierung und Sicherheitskontrolle – 30 Minuten! Das ist beachtlich für einen Flughafen wie Scheremetjewo. Mein Koffer wurde natürlich wieder kontrolliert. Da das Schloss schon aufgebrochen war, hatten es die Kollegen von Aeroflot nicht mehr so schwer. Nächstes Ziel: Петропавловск Камшаткий
Ich werde diesen Reisebericht ergänzen und aktualisieren. – Versprochen!
Denn was passiert, passiert. Manches kann man nicht erklären. Sonst macht Reisen auch keine Sinn. Подождите!