Heute, am 08.05., geht es nach einem guten Frühstück weiter nach Wolgograd. Auf zur „Mutter Heimat“. Der Flug nach Wolgograd mit Aeroflot war sehr angenehm.
Übrigens, die Aeroflot hat alle Corona-Maßnahmen für Inlandsflüge abgesagt. 

In Wolgograd angekommen, fällt mir das flache Land auf. Am Flughafen wird man derzeit wegen Bauarbeiten mit einer Treppe aus dem Flugzeug geleitet. Gepäck klappt prima. Der Transfer mit einem Taxi (Russischkenntnisse Bedingung) klappt auch prima. Für Hotels möchte ich keine Werbung machen, aber die Mitarbeiter sind sehr freundlich. Was macht man am ersten Abend in Wolgograd? Man geht auf den Mamajew Hügel, versucht es zumindest. Was sich am Vorabend des 9.05.2022 als Problem herausstellen sollte. Der Blick über die abendliche Stadt und die Freude in den Gesichtern entschädigt.

Am 9.Mai geht man natürlich zur Parade. Man versucht es zumindest. Vergeblich! Ohne Einladung geht nichts. An den wenigen offiziellen Stellen sind geschätzt 1 Mio. Menschen. Man kommt als Normalsterblicher nicht in den Sichtbereich. Ordnung wir groß geschrieben. Da aber die ganze Stadt in Feierlaune ist, kann man sich überall mit dem Tagesthema beschäftigen. Mein Ziel waren die einfachen Menschen. Was sagen und denken sie zur aktuellen Lage? Die Bilder sprechen Bände. Die Menschen sind unglaublich emotional und offen. An dieser Stelle hatte ich das Gefühl, der einzige Deutsche an diesem Tag in Wolgograd zu sein. DAS ist mehr als traurig. Natürlich zieht das gesamte „Feiervolk“ traditionell zum Mamajew Hügel. Für die Deutschen unter den Lesern: Es gibt dort keine Bratwurst, kein Bier und auch sonst ist für die leiblichen Wünsche nicht viel da. Dennoch, die Menschen strömen mit Feierlaune dorthin und singen.
Dieses Denkmal und der Friedhof ist Mahnung, Rührung und Trauer. Ich hatte Glück! Ich habe an einer kleinen Feier von Veteranen teilnehmen dürfen. Manch einer hat in der DDR seinen Dienst geleistet und die alten Geschichten rausgeholt. Nach dem die Telefonnummern ausgetauscht wurden, die Becher mit Selbstgebranntem gelehrt waren, die Lieder gesungen und alle Fotos gemacht waren geht es nach Hause ins Hotel…

Natürlich nicht ohne sich ewige Freundschaft und Wiedersehen zu versprechen. Im Mittelpunkt stand die freundschaftliche Begegnung der Völker, die weiter gepflegte wird, wider allen Sanktionen.

Heute, am 10.05.2022, ist auch noch ein Feiertag in Russland. Alle schlafen aus (auch den Rausch 😇). Grund und Gelegenheit einmal einzukaufen. Es gibt sehr gute Waren für einen guten Preis. Natürlich fängt das Gespräch hier immer mit der Frage nach dem Rabatt oder nach der Sonderaktion an. Das ist ernst gemeint und keine Einladung zum Ramschen.
Ja, hier ist immer offen (die Läden). Auch Feiertags. Die Straßen sind vormittags frei, die Schlaglöcher sind aber immer noch da. Und die sind gelegentlich gewaltig. In D undenkbar. Man lebt damit. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum hier allerorts von Mietwagen abgeraten wird. Ein Museum ist das Gebot des Tages. Panorama: Voll, kein Reinkommen. Also bleibt das Museum der russischen Geschichte. Gute Erklärung und für das Verstehen der geschichtlichen Zusammenhänge unerlässlich. Warum alles so ist, wie es ist, wird aus russischer Sicht gut erklärt. Das Pawlow-Haus darf nicht fehlen. Wer Interesse hat -> Internet oder mich fragen. Habe allerdings nur wenig Zeit für die Antwort. Zur Entwicklung Russlands mache ich einen kleinen Film mit Informationen aus dem Museum. Nur Tatsachen, keine Wertung.
Zum Hotel zurück… kein Reinkommen… Bombendrohung! Polizei, Feuerwehr, das volle Programm. Дурак! Was macht der vermutlich einzige deutsche Tourist daraus? Richtig, er geht in die Kneipe, oder hier besser, Bar. Bin dennoch pünktlich ins Bett gekommen.

Die Entwicklung Russlands bis 1920 in Bildern.

Heute, am 11.05.2022, ein Tag nach den Feiertagen, tritt das normale Leben wieder ein. Die Museen sind wieder gut zu besuchen. Die Besucherschlangen sind in die jeweilige russische Heimat zurückgekehrt. Man kann ohne Warten auch das Panoramamuseum besuchen. Hier ist die Schlacht von Stalingrad dargestellt. Neben den vielen Soldaten und Offizieren, derer hier gedacht wird, gibt es auch ein großes gemaltes Panorama mit den Schlachtepisoden. Der Straßenverkehr mutet für Deutsche etwas ungewöhnlich an. 

Die Schlaglöcher eigenen sich als Wasserspeicher für längere Zeit und Fahrspuren kann man nutzen, muß man aber nicht. Gut sind die Ampeln, die auch hier, wie in vielen russischen Städten, mit einer Sekundenanzeige versehen sind. Man weiß also genau, wie lange man noch warten muß. Ändert zwar nichts, aber macht die Leute friedlicher.

Auch einige Uniformen von Generalen und Marschällen sind hier ausgestellt. Ein bekannter ist Marschall Schukow. In der zentralen Halle wird den Kampfgruppen der Sowjetarmee gedacht.

12.05.2022

Am 12. Mai waren einige Erledigungen zu tätigen. Eine der Wichtigen war die Änderung des Reiseplanes. Die Umstände, denen man hier oft begegnet, erforderten die Vernunftentscheidung, nicht auf die Krim zu reisen. Ich gebe zu, ich habe mich damit schwer getan. Aber Aeroflot hat mir die Entscheidung abgenommen, in dem die Flüge nach Simferopol annulliert wurden. Die sich daraus ergebenden Änderungen erforderten eine längere Verhandlung über die Änderungen der Flüge und der nicht möglichen Rückerstattung auf deutsche Konten.
Also geht es nun am Montag nach Sankt Petersburg.
Der Tag ging zu Ende mit einer privaten Einladung. Die sprichwörtliche Gastfreundschaft wurde mit gutem Essen und Selbstgebranntem umrahmt. Es wurden alte Deutschkenntnisse präsentiert und alte Geschichten wurden rausgeholt. Nach dem die Becher geleert, die Telefonnummern ausgetauscht und die Fotos besprochen waren, ging es nach Hause, das heißt, ins Hotel.  Natürlich nicht ohne sich ewiges Erinnern und ein Wiedersehen zu versprechen.  Zum Schluß gab es noch ein melancholisches Lied – oder waren es mehrere – vom Don-Kosaken. Im Mittelpunkt stand die freundschaftliche Beziehung der Völker, die gepflegt werden muß, wider alle Sanktionen.

 

13.05.2022

Wolgograd ist wohl eher eine gewöhnliche Stadt. Die Einkommensverhältnisse sind in der Mitte angesiedelt. Geprägt ist die Stadt vom Mamajev-Hügel. Dazu gehört auch die allgemeine Erinnerungskultur, die sehr deutlich macht, welchen Anteil das sowjetische Volk am Sieg über den deutschen Faschismus hat und welche unglaublichen Opfer gebracht wurden. Hier reduziert niemand die Leistung auf einen Teil der der Sowjetunion. Schon deshalb nicht, weil die Familien über die Grenzen Russlands hinaus verbunden sind. Eventuell ist es ratsam, daß Herr Melnyk mal mit russischen Familien spricht, um sich ein realistisches Bild über die Geschichte zu machen. In den USA kennt man sich mit diesem Thema nicht so gut aus und während einer Studienzeit ist das sicher nicht zu erfahren.

14.05.2022

Heute war das Thema: Die Deutschen und Russland. Erst die Universität, des von mir unterstützen Russen Nikita, dann ein Museum für die Deutschen an der Wolga. Die Bilder zeigen sicher die Schwierigkeiten mit der Erhaltung des Geschaffenen. Aber man kann sehen, daß alles mit Seele errichtet wurde. In den Gesprächen mit den Russen kam auch zum Ausdruck, daß es, wie bei uns auch, eine Ökonomisierung aller Lebensbereiche gibt. Ich habe das sehr vorsichtig formuliert, in der Erfahrung, daß ohne eine wirtschaftliche Betrachtung nichts in der Gesellschaft läuft. Gestern stand also die Staatliche Wolgograd Universität (ВОЛГУ) und eine deutsche Siedlung in Wolgograd (Музей „Сарепта“) auf dem Programm.
Ohne Bier ging auch in Russland für die Deutschen nichts. Die Deutschen zeichneten sich offensichtlich durch Geschäftstüchtigkeit aus. Bemerkenswert ist die Differenzierung im Umgang mit der deutschen Kultur und mit den Deutschen überhaupt. Das auf vielen Denkmälern zu findende Wort: „Niemand ist vergessen, wir vergessen nichts!“ ist in jeder Hinsicht zu verstehen, in Wertschätzung aber auch in tiefer Trauer.

Am Abend stand noch eine interessante Kunstausstellung für mich auf dem Programm. Die Bilder sind nicht neu. Wer sehen will, kann sehen und verstehen. Witzig ist auch, das im Restaurant „Rimini“ ausgegebene Glöckchen, mit dem man auf sich aufmerksam machen soll. Dabei erwartet man als Gast doch eigentlich eine allgemeine Aufmerksamkeit. 😉

15.05.2022

…und noch einmal Deutsche auf russischem Boden.
Natürlich gemeinsam mit der Deutschen Beteiligung zur Pflege der Kriegsgräber und mit einem eindeutigen Auftrag an die Nachfahren!

Es ist viel Mühe und Würde in der Anlage zu spüren. Die unzählbaren Namen aber auch die Entfernung zur Heimat lassen nur erahnen, was hier abgelaufen war.

Man fühlt in Wolgograd förmlich die Verantwortung für einen Frieden und für dessen Sicherung.

Wolschki, Stadt am anderen Ufer der Wolga mit einem, für Ostler, anmutigem Park.

16.05.2020

Abreise steht auf dem Programm. Richtig, Weiterreise nach Sankt Petersburg. Abreisen ist wie Trennung von etwas Liebgewonnenem. Darin verbirgt sich aber auch schon das Ziel, egal ob Heimat oder ein anderer Ort. Einige Menschen, die ich sprechen durfte, haben den Wunsch, einmal nach St. Petersburg zu reisen. Der einzige Hinderungsgrund ist das fehlende Geld. 

Doch vorher gibt es noch mal einen Stadtbummel mit Eindrücken. Der Knaller: Eine Biertankstelle. Da der Mietwagen wieder zurückgegeben werden muß, heißt es: Tanken. 

Meine Erfahrung: Gazprom verkauft für Rubel Benzin, auch an Deutsche. Da halten sie Wort. 😉

Der Ablauf am Flughafen ist sehr bequem. Die fehlenden Ausländer entspannen den Ablauf, kosten wohl aber auch Arbeitsplätze. Neue Erfahrung: Wenn Aeroflot schreibt, keine Coronamaßnahmen, bedeutet das für Air Rossia nichts. Also mit Maske! 🙁

Der Flug verläuft reibungslos, die Ankunft nicht. Der Koffer hat schweren Schaden genommen. Ein Rad fehlt und das Schloß ist aufgebrochen (der Koffer ist genau 2 Wochen alt). Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Wenn man auf den Koffer angewiesen ist, ist das mit Blick auf die Weiterreise, ein kapitaler Schaden. Der Taxifahrer wusste auch zu berichten, daß die Leute in der ganzen Welt rumfliegen, aber in Russland gibt jeder Koffer auf. Der Fachmann für derartige Reparaturen erklärte mir, daß die Russen wissen, daß man den Koffer in RU nicht abschließt. Gelernt!

Das Hotel am Rande des Zentrums, erweist sich als einfach und „in die Jahre gekommen“. Preiswert aber Abendessen nach 22:00? Fehlanzeige. Alles zu! Wer es suchen möchte: Hotel Tourist2

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. E. B.

    Ich hab‘ vergessen, Dir ‚Danke‘ zu sagen.
    Und: Glückwunsch, denn ich merke gerade an alten Tagebuchnotizen, welch ein Geschenk man sich selber gemacht hat, wenn man in die Jahre gekommen ist.
    Also: Weitermachen.
    Grüße von M.

  2. E. B.

    Gefunden, einen Satz von Kurt Tucholsky: „Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig.“
    Vielleicht habe wir bald Gelegenheit, darüber zu reden oder streiten.
    Freundschaft! M.

  3. Anatole Schmidt

    Lieber Torsten, es macht Spaß, Deinen Reisebericht zu lesen. Vor allem, weil Du vor ein paar Monaten mit offensichtlicher Vorfreude von dem Russlandreiseplan erzähltest. Zwei Sachen sind mir an diesem Bericht besonders aufgefallen:

    1. Du schreibst sehr schön. Dieser kurze Satz hier vermittelt sehr viel Atmosphäre: „Es ist viel Mühe und Würde in der Anlage zu spüren.“ – der Hammer. Auch der Witz und die Leichtigkeit mit der Du schreibst, machen Freude.

    2. Die zwölfsaitige Martingitarre, die der Veteran spielt, ist saucool!

    Jetzt guck ich mir auch noch die anderen Bereiche an.

  4. Annette Buddrus

    Ich bin froh, daß du im Leningrader Panoramamuseum VOR dem Bild stehst und nicht in der realen Situation. Das kann kein Mensch wirklich wollen.

  5. Robert Rexin

    Wahnsinn, bring bitte Öl mit. In Deutschland gibt es keines mehr. 😂

    1. t.rexin@mail.ru

      Mein Koffer darf nur 23 kg wiegen. Ich weiß, daß wird sich dann kaum noch einer Leisten können.

  6. TEAM REXIN

    Sind wir froh, dass Sie gut angekommen sind!!! Wir wünschen eine gute und spannende Reise.
    Liebe und sonnige Grüße aus Ihrem Büro 😉

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