Mein erster Tag in Moskau – mein erster Tag in der Metro
Gut gefrühstückt stapften wir beide los zur nächstgelegenen Metrostation. Bei einem derart gut ausgebauten Metronetz wollten und brauchten wir selbstverständlich nicht mit dem Auto durch die Stadt zu fahren.
Jeder leistete sich für 600 Rubel ein 3-Tagesticket – eine bescheidene Investition für das, was einem dafür geboten wird.
Schon am Ticketautomaten bemerkte Torsten meinen ungläubigen Blick beim Betrachten des riesigen Übersichtsplans der Moskauer Metro.
Seine Empfehlung: Ich solle mir sogleich „Yandex-Metro“ auf dem Smartphone installieren. Damit kann man bequem seine Routen planen und sich bestens im Metro-Netz orientieren.
Nach der standardmäßigen Gepäckkontrolle folgte die automatisierte Zugangskontrolle und dann war ich auch schon in der ersten Metro. Das ging mal fix!
Beim ersten Übergang zu einer anderen Linie fuhr uns die Bahn direkt vor der Nase weg und ich setzte mich als Unkundiger auf eine der auf dem Bahnsteig bereitstehenden Bänke, um entspannt auf die nächste Bahn zu warten. Torsten fragte mich belustigt, ob ich denn schon einen Fahrplan entdeckt hätte und wisse, wie lange ich auf die nächste Bahn warten müsse. Sehr witzig, fuhr doch just die nächste Bahn ein.
Bei einer Zwei-Minuten-Taktung der Züge bedarf es natürlich keines Fahrplans. Jetzt, am späten Vormittag, war das Passagieraufkommen recht schwach, doch am Nachmittag sollte ich erleben, wie selbst eine noch dichtere Taktung von etwa anderthalb Minuten es gerade so schafft, den schier unglaublichen, nicht abreißenden Strom der Fahrgäste zu bewältigen. Zu der Metro unten mehr.
Der Rote Platz – ein Muss für mich – sollte gleich das erste Ziel sein.
Auf dem Weg passierten wir das Parlamentsgebäude und trafen davor auf den ersten und einzigen Demonstranten unserer gesamten Reise.
Torsten unterhielt sich mit ihm über seine Forderungen. (Siehe dazu Torstens Ergänzungen weiter unten.)
Nach einem Rundgang um den Weihnachtsmarkt, bei der wir das Lenin-Mausoleum und die Basilius-Kathedrale (beide nur von außen) besichtigten, machten wir einen kurzen Abstecher ins GUM.
Auffällig, dass tatsächlich einige europäischen Marken zwar noch die Miete für die Ladenflächen zahlten, aber nur leere Regale präsentierten. Beispielgebend an dieser Stelle seien „Dior“, „Cartier“ und „Burberry“ genannt.
Von diesen wenigen leeren Läden europäischer Luxusmarken einmal abgesehen, ist das Angebot im GUM sehr umfangreich und machte auf uns einen sehr einladenden Eindruck. Nach den Preisen zu urteilen, scheint das Angebot sich aber nicht an Russen mit schmalem Geldbeutel zu richten.
So wie an vielen Orten unserer Reise, nahmen wir uns auch hier, in einem Café die Zeit für einen Cappuccino zum passenden russischen Gebäck.
Vom Roten Platz kommend, vor dem Museum das Reiterstandbild von Marschall Schukow. Ich wusste bis dahin nicht, dass er leidenschaftlich gerne ritt und an Paraden oft zu Pferd teilnahm.
Es wird ihm folgendes Zitat zugeschrieben: „Ein Kommandeur ohne Reserven ist ein stiller Betrachter heraufziehender Katastrophen.“
Wenn ich dazu an die aktuelle Debatte um den deutschen Finanzhaushalt denke, hat dieses Zitat fast schon etwas Prophetisches.
Danach durchquerten wir den Alexandergarten und blickten dabei leider wieder nur von außen auf den Kremel. Von dort aus schlenderten wieder zur Metro.
Torsten zeigte mir ein paar besonders schöne Stationen. Die abwechslungsreiche Pracht war überwältigend. Jede der von mir besuchten Stationen ist in ihrer aufwändigen Gestaltung einzigartig.
Sehr angenehm fand ich die Sauberkeit und die völlige Abwesenheit von den auf deutschen Bahnhöfen allgegenwärtigen aktivistischen Botschaften. Eine multikulturelle Eventkultur oder mobile Händler konnten sich sowohl in hiesigen Metrostationen, als auch auf Bahnhöfen offensichtlich nicht etablieren.
Und die Frauen strebten anscheinend unbekümmert in die Metro und schauten selbst nach einbrechender Dunkelheit eher auf ihr Smartphon als ängstlich über den Bahnsteig.
Bevor jedoch für uns die Dunkelheit hereinbrach, führte mich Torsten noch schnell zu ein paar interessanten Orten.
Torsten wies auf die Lubjanka und meinte, dass sie wohl ebenso viele Kellergeschosse hätte wie überirdisch sichtbar sind. Mit dem Wissen, dass die Lubjanka bis 1991 das Hauptquartier und das Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes war, konnte ich Torstens Bemerkung einordnen.
Entlang weiterer interessanter Gebäude und ansehnlicher Fassaden führte mich Torsten zur nächsten Metrostation, um mir aus der Fülle der Stationen ein paar sehr gelungene Beispiele zu zeigen.
Wir fuhren zwar nicht völlig ziellos, doch nicht gerade zielstrebig und schon gar nicht zeitsparend durch Moskaus unterirdisches Labyrinth.
Meine Neugier verleitete mich zum ständigen Unterbrechen unserer Fahrt, wollte ich doch jede schmucke Station ausgiebig betrachten und fotografieren. Die zwei Minuten Zeit bis zum Einfahren der nächsten Metro waren in der Regel viel zu kurz für mich.
Zum Glück hatte Torsten ein geduldiges Einsehen mit meinem Umhergerenne auf jeder Metrostation, denn ich konnte nicht anders – ich musste schauen!
Und dann führte uns unsere Fahrt bzw. Torsten zum Außenring der Metro. In diesem waren die Bahnhöfe nicht im Stil des sonst vorherrschenden „sowjetischen Klassizismus“, sondern sehr modern, mitunter fast futuristisch anmutend gestaltet.
Und wieder begann das „Gespringe“ von Station zu Station. Das hatte Torsten nun davon. Mit mir war kein schnelles Vorankommen mehr möglich. Ich war von der Moskauer Metro einfach angefixt.